Für Planer und Hersteller von Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs spielt das Fahrzeug-Design eine maßgebliche Rolle. Untrennbar damit verbunden ist die Farbgestaltung. Sie muss oftmals den gewünschten Vorgaben des Corporate Design der Firmen sowie der Ästhetik Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang werden häufig die Aspekte vernachlässigt, dass Farben die Wahrnehmbarkeit einer räumlichen Gliederung unterstützen und eine Signalfunktion besitzen können.
Eine zur Orientierung vorgesehene Farbgestaltung der Haltegriffe und vertikalen Haltestangen zum Festhalten, muss nicht im Widerspruch zur Ästhetik stehen. Jedoch bedarf es, vom Beginn der Entwurfsfertigung eines Fahrzeugs, bis zu dessen Fertigstellung, einer konsequenten Planung von Farb- und Materialauswahl.
Bild 1: Haltestangen aus Edelstahl in einem Nahverkehrszug Photo by 129400 on Pixabay
Die Farbgestaltung von Fahrzeugen und deren Ausstattung sollte weitestgehend den jeweiligen Funktion gerecht werden und dabei einen ausgewogenen Konsens zwischen, einerseits Orientierung und Information, sowie andererseits der Ästhetik herstellen.
Auch in den einzelnen europäischen Ländern wird das Thema der visuellen Gestaltung von Haltestangen unterschiedlich gehandhabt. So sollen beispielsweise in England keine Haltestangen aus Edelstahl Verwendung finden.
Wahrnehmung von Farben und Kontrasten
Die Fähigkeit der menschlichen Wahrnehmung von Farben, deren Kontraste, oder auch von Hell-/Dunkelkontrasten, wird erst durch die Voraussetzung des Lichteinfalls in das menschliche Auge möglich.
Dabei spielt die Funktionsfähigkeit bzw. die mehr oder weniger stark ausgeprägten funktionalen Beeinträchtigungen der einzelnen Bestandteile des Auges, wie beispielsweise der Netzhaut, eine entscheidende Rolle. Eine Reduzierung der Wahrnehmung von Kontrasten, ist ein häufiges Symptom, was insbesondere bei älteren Menschen und bei Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, der Fall ist. Diese reduzierte Kontrastempfindlichkeit kann durch Eintrübungen im Auge, wie es beispielsweise beim grauen Star (Katarakt) oder bei Alterungsprozessen der Fall ist, hervorgerufen werden. In diesen Fällen entsteht nur ein kontrastarmes Netzhautbild. Aber auch neurologische Erkrankungen sind für dieses Problem verantwortlich zu machen. Hier werden nur schwache Kontraste an das Gehirn weitergeleitet und/oder von diesem verarbeitet.
Kontrastbedeutung
Bei der Orientierung an und in den Fahrzeugen des öffentlichen Personenverkehrs nehmen Kontraste eine wesentliche Rolle ein. Ältere Menschen und Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, die in der Regel auf den ÖPV angewiesen sind, verfügen oftmals nur über eine herabgesetzte visuelle Kontrastempfindlichkeit. Dies erfordert den Einsatz einer Gestaltung mit höheren Kontrastwerten, damit für die Betroffenen die Voraussetzung zur Orientierung geschaffen wird. Zudem trägt eine visuelle Kontrastoptimierung zur Komfortverbesserung und insbesondere zu einer erhöhten Sicherheit für alle Fahrgäste bei.
Haltestangen aus Edelstahl
In Fahrzeugen des Öffentlichen Personenverkehrs werden, entsprechend der Marktentwicklung, oftmals Haltestangen in Edelstahl ausgeführt.
Die Befürworter der Haltestangen aus Edelstahl, führen für deren zu bevorzugenden Einsatz folgende Argumente an:
Für diese Haltestangen kommt ein Edelstahl mit einer gleichbleibenden Oberflächenbehandlung zur Verwendung. Diese Haltestangen sind mit einen radialen Schliff (K320 – K450) in Verbindung mit einer blanken, unbeschichteten Edelstahl-Oberfläche versehen. Ein Edelstahl, der diese Anforderungen erfüllt, ermöglicht das „Einfangen“ des Lichts aus der Umgebung und bildet somit den größtmöglichen Hellbereich. Daraus resultiert offenbar auch die Auffassung, dass derartige Haltestangen aus Edelstahl selbst kontrastierend sind und daher gut visuell wahrgenommen werden können. Darin wird ein Vorteil der Edelstahlhaltestangen gegenüber beispielsweise gelb lackierten Haltestangen gesehen, welche, nach Auffassung der Befürworter der Edelstahlhaltestangen, teilweise einen sehr schlechten Hell-Dunkel-Kontrast aufweisen.
Kontrastbildung bei Haltestangen aus Edelstahl
Das der Hellbereich einer Edelstahlhaltestange, der das Umgebungslicht „einfängt“, eine größtmögliche Leuchtdichte und somit selbstleuchtende Eigenschaften aufweist, ist vorstellbar. Unbedacht bleibt jedoch, dass für die benötigte Kontrastbildung nicht nur ein größtmöglicher Hellbereich erforderlich ist, sondern, dass es ebenfalls einen dunklen Umgebungsbereich zur Haltestange aus Edelstahl bedarf. Ist dieser nicht gegeben, kann der notwendige Kontrast auch nicht erreicht werden. Im Ergebnis des Betrachters steht häufig ein unterschiedliches Verhältnis verschiedener Grautöne.
Bild 2: Haltestangen aus Edelstahl und graue Halteschlaufen in einem Bus Photo bySeriy Leto on Pixabay
Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass, durch im Bereich der Haltestangen sich befindenden Personen, der Lichteinfall abgeschirmt wird oder deren dunkle Bekleidung eine entsprechend dunkle Spiegelung bewirkt.
Für den Betrachter einer gekrümmten Edelstahlfläche, ist auch deren Krümmungsradius entscheidend. Je leichter die Krümmung einer Edelstahloberfläche ausfällt, umso größer ist die lichtreflektierende Fläche, die vom Betrachter wahrgenommen werden kann. Je stärker diese Krümmung ist, umso kleiner ist, aus Sicht des Betrachters, die wahrzunehmende lichtreflektierende Fläche.
Bei einer Haltestange aus Edelstahl mit einem Durchmesser von ca. 4 cm, handelt es sich um eine lichtreflektierende Fläche von nur wenigen Millimetern in einer Streifenform. Diese ist, aufgrund der geringen Flächenverhältnisse, von sehbehinderten Menschen nur schwer visuell wahrnehmbar, obwohl diese ebenso eine gleiche Leuchtdichte wie die leicht gekrümmte Fläche aufweist. Dies führt zu einer Verzögerung beim Auffinden der Festhaltestange und verhindert ein schnelles zielgerichtetes und sicheres Zugreifen.
Zudem ist zu bedenken, dass die Lichtreflexion, der Haltestange aus Edelstahl, nur dann erfolgen kann, wenn auf sie ein ausreichend hoher Lichteinfall besteht. Bei Dunkelheit und, wie es in der Regel häufig zu beobachten ist, einer gedimmten Beleuchtung im Fahrzeug, kann auch die Haltestange aus Edelstahl kein Licht im ausreichenden Maß reflektieren.
Es kann ebenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass durch Spiegelungen, die von Haltestangen aus Edelstahl hervorgerufen werden, insbesondere für Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung, eine unerwünschte Blendung entstehen kann. Verantwortlich für diesen Umstand ist eine hohe Blendempfindlichkeit, die eine Folge vieler Augenerkrankungen ist.
Gelbe Haltestangen
Die Vielzahl der vorgenannten Gründe lassen erkennen, dass nicht nur die Haltestangen aus Edelstahl für die visuelle Wahrnehmung problematisch ist, sondern die Herstellung einer optimalen Farbgestaltung für Haltestangen kein einfaches Unterfangen darstellt. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, ist zu beobachten, dass die Hersteller der Haltestangen dazu übergehen, farbige Haltestangeninlays zu verwenden oder die Haltestangen zu hinterleuchten.
Festzuhalten ist ebenfalls, dass, aufgrund der sich stetig ändernden Hell-/Dunkel Umgebungsverhältnisse von Haltestangen in Fahrzeugen, ein Kontrastnachweis nur schwer bzw. kaum möglich ist.
💡 Für die visuelle Kennzeichnung der Haltestangen, bedarf es einer Farbgebung, die sich, trotz aller Schwierigkeiten, empfiehlt. Auf der Suche nach geeigneten Farben stößt man u. a. auch auf die Farbe gelb. Aber was zeichnet insbesondere diese Farbe aus?
Signalfarben
Der Mensch nutzt bereits schon Jahrtausende visuell wahrnehmbare Signale aus seinem Umfeld. Dies hat ihn geprägt und führt dazu, dass er sich außergewöhnlich stark an visuell wahrnehmbaren Signalen orientiert und durch diese visuelle Informationen lernt. Farben enthalten eine Botschaft und sollen uns etwas mitteilen.
Signalfarben:
Signalfarben zeichnet aus, dass sie vom menschlichen Auge leicht, auch aus größerer Entfernung, wahrgenommen werden können. Da sie auf diese Weise die Auffälligkeit erhöhen, eignen sie sich, um gewünschte Informationen und Gegenstände durch ihre Farbgebung hervorzuheben (vgl.: unten Bild 3). Aufgrund derartiger Eigenschaften, sind sie prädestiniert, um ihnen ein hohen Stellenwert zu zuordnen. Es lassen sich im Alltag zahlreiche Belege finden, in denen auch die farbliche Signalwirkung eingesetzt wird. So denke man beispielsweise an Fahrzeuge, wie Feuerwehr oder Rettungsfahrzeuge, die aufgrund ihrer Bevorrechtigung im Straßenverkehr durch ihre Farbgebung besonders auffällig hervorgehoben werden.
💡 Da die Farbe gelb auch zu den Signalfarben zu zählen ist, gelten die vorgenannten Aspekte auch für diese im gleichen Maße.
Die Farbe gelb
Neben den Wellenlängen von grünen Farben (≈ 490 – 575 nm), können die der gelben Farben (≈ 575 – 585 nm) von der Netzhaut des menschlichen Auges, im Verhältnis zu anderen Farben am Ende des Farbspektrums, optimal wahrgenommen werden. Allein die Helligkeit von Gelb und die besondere Empfindlichkeit der menschlichen Netzhaut für diese Farbe, spricht für deren Einsatz zur Erleichterung der Auffindbarkeit von Haltestangen. So können gelbe Haltestangen, auch noch bei schlechten Lichtverhältnissen, von vielen Menschen, mit und ohne einer Sehbeeinträchtigung, erkannt werden.
Auch der Einfluss der Farbe gelb auf unsere Gefühlswelt ist nachgewiesen und unumstritten. So beeinflusst bei der Umweltwahrnehmung die Farbe #gelb unser Denken und Handeln. Aus farbpsychologischer Sicht kann die Farbe gelb das Selbstvertrauen und die „Risikofreude“ zum zügigen Ergreifen einer gelben Haltestange unterstützen.
Damit gelbe Haltestangen ihrer Funktion gerecht werden können, müssen diese von dekorativen Form- sowie Farbwechseln freigehalten werden und sich unmissverständlich unterscheiden lassen.
Eine Verstärkung der positiven Eigenschaften der Farbe gelb wird durch die stets wiederkehrende geometrische Form und vertikale Anordnung der Haltestangen erreicht. Damit wird auch die Wiedererkennbarkeit unterstützt und somit deutlich erleichtert.
Gesetze
Auch im Hinblick auf eine visuell kontrastreiche Gestaltung, kommt, im Rahmen der deutschen Gesetzgebung dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) und den Landesgleichstellungsgesetzen, eine maßgebliche Bedeutung zu. Zudem hat Deutschland mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung (UN-BRK) eine gesetzlich verbindliche Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben sowie zur gesellschaftlichen Teilhabe für Menschen mit Behinderung geschaffen.
Normen
Da insbesondere die visuell kontrastreiche Gestaltung für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen von elementarer Bedeutung ist, wurde diese, mit dem Ziel zur Verbesserung der Orientierung, in die Normen zum barrierefreien Bauen aufgenommen.
Eine maßgebliche Norm ist hier jedoch die DIN 32975 „Gestaltung visueller Informationen im öffentlichen Raum zur barrierefreien Nutzung“.
Nach ihrem Anwendungsbereich, gelten die in ihr enthaltenen Anforderungen für die Gestaltung visueller Kontraste bzw. Informationen auch für die Fahrzeuge (Verkehrsmittel) des öffentlichen Personenverkehrs. Ihr Ziel ist es, eine Verbesserung der Sicherheit, Orientierung sowie der Mobilität für alle Personen, mit oder auch ohne einer Sehbehinderung, zu erreichen.
Zusammenfassung:
Fazit
Bei der Gegenüberstellung von Haltestangen aus Edelstahl oder mit einer gelben Farbgestaltung wird deutlich, dass gelbe Haltestangen auffälliger und leichter erkennbar sind.
Die bestehende Empfindlichkeit der menschlichen Netzhaut für Gelb und deren guten Signalwirkung, prädestiniert diese Farbe für die Gestaltung von Haltestangen. Hinzu kommen farbpsychologische Aspekte, die für eine gelbe Gestaltung sprechen.
Natürlich soll hier die antibakterielle Wirkung von Edelstahl nicht verschwiegen oder geleugnet werden. Jedoch kann diese aus Sicherheitsgründen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Der verbindlichen Pflicht für Fahrgäste, sich in den Fahrzeugen des ÖPV festzuhalten, ist Rechnung zu tragen, was jedoch auch die Schaffung aller möglichen, realisierbaren Voraussetzungen erfordert.
