Hintergrundaspekte und Verhaltensweisen von Fußgängern und Radfahrern, die sichere Fußwege verhindern
💡 Die Qualität und die Quantität spielen für die Sicherheit gebauter Fußwege und Radweganlagen unumstritten eine maßgebliche Rolle. In diesem Bewusstsein haben wir uns dennoch entschieden, an dieser Stelle einmal die Hintergrundaspekte und Verhaltensweisen von Fußgängern und Radfahrern zu beleuchten, welche sichere Fußwege verhindern.
Wesentliche Gründe für die Konflikte zwischen dem Fußgänger- und Radverkehr auf gemeinsam genutzten Verkehrsflächen sind auch in den Eigenschaften und Verhalten der jeweiligen Verkehrsteilnehmergruppen zu sehen. Daher sind diese, ohne Vorurteile oder Unterstellungen, näher zu betrachten. Hier sollen auch die Hintergrundaspekte helfen, das gegenseitige Verständnis zu verbessern.
Die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Verkehrsteilnehmer, sowohl der Fußgänger als auch der Radfahrer, haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf ihr Verhalten bei der Teilnahme am Straßenverkehr und stehen somit in enger Wechselbeziehung zu einander.
Das Verhalten der Verkehrsteilnehmergruppen wird beeinflusst von
a) Ortskenntnis, b) Erfahrung, c) Risikobereitschaft, d) Verantwortungsbewusstsein, e) Zeitdruck, f) Gesundheit und g) Alter.
Eine Reihe von Umständen können Einfluss auf das Verhalten von Fußgängern und Radfahrern nehmen, die zusätzlich ihre Sicherheit auf gemeinsam genutzten Verkehrsflächen herabsetzen.
Verkehrsbeteiligung
Viele innerörtliche Besorgungen werden zu Fuß erledigt. Neben den zweckbezogenen Fußwegen wie z. B. dem Arbeitsweg und dem Einkauf, gewinnen die erlebnisbezogenen Gehwegaufenthalte wie Stadtbummel und Kinderspiel zunehmend an Bedeutung. Dabei ist die Aufenthaltsdauer aufgrund der langsamen Fortbewegung von Fußgängern groß.
💡 Bereits 50 % der Kinder unter 6 Jahren nehmen selbständig am Straßenverkehr teil.
Es ist auch davon auszugehen, dass das Verhältnis der Teilnahme am Straßenverkehr von mobilen behinderten und älteren Menschen ebenso groß ist, wie die von „gesunden“ Menschen.
Die überwiegende Zahl der Haushalte verfügt über Fahrräder. Es ist festzustellen, dass die Benutzung von konventionellen Fahrrädern und E-Rädern im Alltag zunimmt. Dabei spielt die Corona-Pandemie eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die größten Anteile des Radverkehrs lassen sich im Einkaufs‑, Ausbildungs- und Freizeitverkehr finden. Auch bei regnerischer Witterung und im Winter sind zunehmend Radfahrer anzutreffen. Eine weitere Tatsache ist, dass die Fahrradnutzung bei einem optimalen Radwegenetz zunimmt.
Verkehrsflächenbedarfe
Die unterschiedlichen Arten der Verkehrsteilnehmer beanspruchen ihre jeweils spezifische Verkehrsfläche, die für ihre sichere Fortbewegung sowie die aller anderen Verkehrsteilnehmer, notwendig ist. Damit bilden sie eine zu berücksichtigende Grundlage für die zu planenden Verkehrsflächen mit einem ausreichenden Flächenbedarf. Sie können ebenfalls wichtige Hinweise auf die einzuhaltenden Seitenabstände für Überholvorgänge geben.
Verkehrsflächenbedarf für Fußgänger:
Die von einem Fußgänger unmittelbar beanspruchte Fläche liegt zwischen 0,50 m² und 1,0 m². Hierzu kommt ein erhöhter Flächenbedarf für den Transport von sperrigen Gegenständen und die Mitnahme von Kinderwagen.
Eine Person mit zwei Stützen benötigt für ihre sichere Fortbewegung eine Mindestbreite von 90 cm.
Der blinde Fußgänger mit dem pendelnden Blindenlangstock hat einen Platzbedarf von ca. 120 cm Breite. Die Länge, von der Ferse des blinden Verkehrsteilnehmers bis zu dessen Blindenlangstockspitze beträgt ca. 150 cm. Dies ist bei einer plötzlichen Richtungsänderung, quer zur Hauptgehrichtung auf dem Fußweg, für den einzuhaltenden Abstand des Radfahrers bei dem Überholvorgang von Bedeutung.
Für den blinden Fußgänger mit einer Begleitperson ist eine Breite von 130 cm erforderlich. Das Blindenführhundegespann benötigt mindestens eine Breite von 120 cm.
Verkehrsflächenbedarf für Rollstuhlstuhlnutzer:
Rollstuhlnutzer benötigen mindestens eine Fläche von:
) einer Breite von 90 cm zum Passieren von Engstellen und Durchgängen,
) einer Breite und Länge von 150 cm x 150 cm für die Vornahme des Richtungswechsels oder den Wendevorgang,
) einer Breite von 180 cm für dem Begegnungsfall mit anderen Rollstuhl- oder Rollatornutzern.
💡 Für die Fußwege ist jedoch eine Fläche zu Grunde zu legen, die den berechtigten Bedürfnissen der Fußwegnutzer mit dem größten Flächenbedarf für eine sichere Fortbewegung entsprechen. Zu diesen zählen Rollstuhl- und Rollatornutzer, Menschen mit Gehhilfen sowie blinde Verkehrsteilnehmer.
Verkehrsflächenbedarf für Fahrräder und Radwege:
Entsprechend der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung dürfen (einspurige) Fahrräder über eine maximale Breite von 100 cm verfügen. Bemerkenswert sind hier jedoch die zulässigen maximalen Abmessungen von 255 cm Breite, 400 cm Höhe und 1200 cm Länge für Fahrradanhänger.
Die Mindestbreite von Radwegen beträgt 150 cm, vorzugsweise sollte sie jedoch 185 cm betragen. Hinzu kommen noch Schutzstreifen zur Fahrbahn von 50 cm Breite bzw. 75 cm Breite, wenn Parkstände neben dem Radweg angeordnet sind. Dagegen muss ein innerörtlicher gemeinsamer Geh- und Radweg mit Benutzungspflicht eine Mindestbreite von 250 cm aufweisen.
Geschwindigkeit
Die Fortbewegungsgeschwindigkeit von Fußgängernist sehr unterschiedlich und richtet sich nach dem Zweck des Weges, den vorliegenden Mobilitätseinschränkungen sowie den jeweils verwendeten Mobilitätshilfen (beispielsweise Unterarmstützen, Rollstuhl etc.). Diese liegt in der Regel zwischen 0,5 m/s bis 1,8 m/s bzw. 1,8 km/h bis 6,5 km/h. Ein interessantes Straßengeschehen kann durchaus ein langsameres Laufen zur Folge haben.
Die Geschwindigkeit von Radfahrern mit konventionellen Rädern liegt auf ebener Strecke zwischen 3,5 m/s und 8,5 m/s bzw. bei 13 km/h bis 30 km/h. Bei vorhandenem Gefälle kann sich die Geschwindigkeit deutlich erhöhen.
Fahrräder mit einem elektrischen Motorenantrieb können je nach Fahrradtyp, mühelos eine Geschwindigkeit bis zu 45 km/h erreichen. Die Vor- und Nachteile werden auf unserer Seite „Sichere Fußwege – der Fußweg gehört dem Fußgänger!“ … erläutert.
Vom besonderen Interesse dürfte auch die Geschwindigkeit von Radfahrern in Haltestellenbereichen sein. Im „bast-Info 1/01′ zum Forschungsbericht „Radverkehrsführung an Haltestellen“1 Forschungsbericht „Radverkehrsführung an Haltestellen“ der Bundesanstalt für Straßenwesen heißt es dazu: “Die Beobachtungen zeigten, dass Radfahrer nur geringfügig langsamer fuhren, wenn sie sich haltenden Fahrzeugen des Öffentlichen Personennahverkehrs annäherten und mit ein- und aussteigenden Fahrgästen zu rechnen war. Die mittlere Geschwindigkeit der Radfahrer lag, unbeeinflusst von ÖPV-Fahrzeugen, bei 19,4 km/h, in Gegenwart von Bussen oder Straßenbahnen immer noch bei 18,3 km/h.“
Die Fortbewegungsgeschwindigkeit und das Bewegungsmuster von Radfahrern und Fußgängern wird weiterhin bei der Überwindung von einem vorhandenen Längsgefälle im Straßenraum beeinflusst. Die Überwindung eines Höhenniveauwechsels von mehr als 6 % kann, insbesondere von Nutzern manuell betriebener Rollstühle, nicht ohne eine Hilfestellung bewältigt werden. Für ältere und gehbehinderte Menschen (mit oder auch ohne Gehilfen und Rollator) dürfte sich, aufgrund der mühsamen Bewältigung der erschwerten Wegeverhältnisse, der Gang deutlich verlangsamen. Auch der große Kraftaufwand und die damit verbundenen Bemühungen zur Haltung der Balance für Radfahrer führt zu einem unausgeglichenen Fahrstil. Damit wächst hier das Konfliktrisiko für beide Verkehrsteilnehmergruppen auf dem Gehweg.
💡 In innerörtlichen Straßenbereichen wird oftmals für den Kraftverkehr eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h vorgeschrieben. Vergleicht man hier die Fortbewegungsgeschwindigkeiten von Fußgängern, Radfahrern und dem Kraftverkehr miteinander, wird ersichtlich, dass die Geschwindigkeit der Radfahrer eher der des Kraftverkehrs, als der der Fußgänger entspricht.
Mobiltelefone
Es ist erstaunlich, aber auf vielen Fußwegbereichen kann beobachtet werden, dass sich die Fußgängerströme selbstständig organisieren, obwohl sie nicht miteinander sprechen und sich offenbar nicht kennen. Ihre Fortbewegung erscheint dem Beobachter in vielen Fällen abgestimmt und geordnet.
In der Regel laufen die Fußgänger rechts, wobei die schnelleren Passanten in der Mitte und die Langsameren sich rechts außen fortbewegen. Ein Fußgänger befürchtet einen Zusammenstoß und geht hastig zur Seite. Eine andere Fußgängerin hüpft in eine sich auftuende Lücke.
Nutzung von Mobiltelefonen:
Nutzer von Mobiltelefonen sind stark abgelenkt. Sie nehmen verhältnismäßig nur kurz und gelegentlich das Geschehen auf dem Fußweg wahr. Sie laufen völlig unberechenbar mal nach rechts, mal nach links. Auch ändern sie häufig ihre Gehgeschwindigkeit.
Schaut man ständig beim Gehen auf sein Mobiltelefon, so kommt es zu einem erheblichen Verlust der für eine geradlinige Fortbewegung erforderlichen optischen Bezugspunkte. Die Gefahr möglicher Konflikte werden oftmals erst viel zu spät erkannt. Der Versuch abrupter Ausweichmanöver sind die Folge.
Somit nimmt die Verwendung von Mobiltelefonen während der Fortbewegung maßgeblichen Einfluss auf das Bewegungsverhalten von Fußgängern und das Fahrverhalten von Radfahrern. Auf diese Weise wird nicht nur die organisierte Fortbewegung auf dem Gehweg ausgebremst, sondern es besteht ein erhebliches Konfliktrisiko mit dem Radverkehr, das teilweise schwerwiegende Unfälle zur Folge haben kann.
Erkennbarkeit
Bei Dunkelheit und ungünstiger Witterung ist die Erkennbarkeit von Fußgängern, aufgrund der häufig mangelhaften Straßenbeleuchtung und fehlender reflektierender Kleidung, gering. Dies gilt insbesondere für Kleinkinder, deren Körpergröße unter 1 m liegt.
Die Erkennbarkeit des Radfahrers für den Fußgänger kann ebenfalls nicht als optimal eingeschätzt werden. Viele Radfahrer fahren bei Dunkelheit ohne Beleuchtung. Ihre Erkennbarkeit wird weiterhin durch fehlende reflektierende Kleidung und zusätzliche Reflektoren am Rad erschwert. Sehbehinderte Menschen sind bei ihrer Orientierung u. a. auf Helligkeitskontraste angewiesen. Die mangelhafte Erkennbarkeit von Radfahren erschwert ihre rechtzeitige Wahrnehmung zusätzlich.
Da das Radfahren im Gegensatz zum Kfz-Verkehr keine nennenswerten Geräusche verursacht, sinkt die akustische Wahrnehmbarkeit von Radfahrern für blinde und hochgradig sehbehinderte Verkehrsteilnehmer spürbar.
§ 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV
Wortlaut § 2 FeV
Im zitierten Wortlaut des Paragraphen 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung heißt es:
§ 2 „Eingeschränkte Zulassung“2„Fahrerlaubnis-Verordnung vom 13. Dezember 2010 BGBl. I S. 1980), die zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2905) geändert worden ist“
(1) Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet. Die Pflicht zur Vorsorge, namentlich durch das Anbringen geeigneter Einrichtungen an Fahrzeugen, durch den Ersatz fehlender Gliedmaßen mittels künstlicher Glieder, durch Begleitung oder durch das Tragen von Abzeichen oder Kennzeichen, obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen.
(2) Körperlich Behinderte können ihre Behinderung durch gelbe Armbinden an beiden Armen oder andere geeignete, deutlich sichtbare, gelbe Abzeichen mit drei schwarzen Punkten kenntlich machen. Die Abzeichen dürfen nicht an Fahrzeugen angebracht werden. Wesentlich sehbehinderte Fußgänger können ihre Behinderung durch einen weißen Blindenstock, die Begleitung durch einen Blindenhund im weißen Führgeschirr und gelbe Abzeichen nach Satz 1 kenntlich machen.
(3) Andere Verkehrsteilnehmer dürfen die in Absatz 2 genannten Kennzeichen im Straßenverkehr nicht verwenden.“
Allgemeine Anmerkungen
Das Tragen von gelben Armbinden oder Abzeichen mit drei schwarzen Punkten signalisiert anderen Verkehrsteilnehmern, dass hier ein Mensch mit körperlichen Beeinträchtigungen am Straßenverkehr teilnimmt. Allein damit wird noch keine Aussage darüber getroffen, ob es sich beispielsweise um eine motorische oder sensorische Beeinträchtigung handelt. Unabhängig davon, fordert dieser Hinweis zu einer höheren Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme gegenüber diesem Verkehrsteilnehmer auf.
Der Gesetzgeber schreibt in der Fahrerlaubnis-Verordnung keine Größe für gelbe Abzeichen mit drei schwarzen Punkten vor. Er stellt lediglich die Anforderung, dass es sich neben den gelben Armbinden auch um „andere geeignete, deutlich sichtbare Abzeichen“ handeln kann. So könnte beispielsweise auch eine bedruckte Weste in Frage kommen.
Aber was ist unter „deutlich sichtbaren Abzeichen“ zu verstehen?:
Hier ist es wichtig, sich zunächst die Bedeutung der einzelnen Worte zu vergegenwärtigen.
Das Wort deutlich steht für Unmissverständlichkeit, Klarheit und Eindeutigkeit.
Der Begriff sichtbar bringt die Wahrnehmbarkeit bzw. Erkennbarkeit durch das Auge zum Ausdruck.
Unter einem Abzeichen, auch als Emblem bezeichnet, ist ein Erkennungszeichen wie Symbol, Sinnbild oder Wahrzeichen zu verstehen. Es kann aus den unterschiedlichsten Materialien (beispielsweise Metall, Kunststoff oder Stoff) hergestellt und in Gestalt von Anstecknadeln, Aufnähern oder Schulterklappen Verwendung finden. Es kann z. B. die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, eine Tätigkeit oder eine Funktion signalisieren.
Der Handel bietet eine Fülle von unterschiedlichsten gelben Abzeichen mit drei schwarzen Punkten in Form von Ansteckern an. Der größte bekannte Durchmesser beträgt 76 mm.
Das Tragen dieser Anstecker, auch mit dem größten Durchmesser, dürfte im Straßenverkehr, beispielsweise für von hinten überholende Radfahrer sowie für die meisten Kraftfahrer aus den unterschiedlichsten Perspektiven, vermutlich kaum erkennbar sein.
Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass Abzeichen in Form von Ansteckern kaum die notwendige Sicherheit im Straßenverkehr bieten und diese vermutlich im Sinne der Fahrerlaubnis-Verordnung keine „geeigneten“ Abzeichen darstellen.
Nicht allen Menschen sind auf den ersten Blick ihre motorischen oder sensorischen Einschränkungen anzusehen.
In diesem Zusammenhang ist oftmals zu hören, dass diese Verkehrsteilnehmer verpflichtet sind, sich bei der Teilnahme am Straßenverkehr entsprechend zu kennzeichnen.
Eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für körperlich beeinträchtigte Verkehrsteilnehmer besteht jedoch bei der Teilnahme am Straßenverkehr nicht.
Von gesetzlicher Relevanz ist hier die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV).
Wichtig:Jedoch müssen körperlich beeinträchtigte Verkehrsteilnehmer Sorge dafür tragen, dass in Folge von Unsicherheiten von ihnen – für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer – keine Gefahren ausgehen. Nehmen körperlich beeinträchtigte Menschen mit einer Begleitperson am Straßenverkehr teil, so kann die Verantwortung für das ordnungsgerechte Verhalten auf die Begleitperson übergehen.
Blinde und sehbehinderte Verkehrsteilnehmer
Für blinde und sehbehinderte Menschen ist es empfehlenswert, sich bei einer selbständigen Teilnahme am Straßenverkehr, auch ohne eine Begleitperson, entsprechend zu kennzeichnen. Diese Möglichkeit sollten Betroffene nutzen, auch im Bewusstsein das keine Kennzeichnungspflicht besteht. Besonders in der „dunklen“ Jahreszeit sollten sie sich Gedanken über Ihre Sicherheit bei der Teilnahme am Straßenverkehr machen. Dabei empfiehlt es sich, stets nach dem Grundsatz: „Sehen und gesehen werden“ zu handeln.
Auch blinde und sehbehinderte Menschen sind gesetzlich verpflichtet, eine ausreichende Vorkehrung zur Vermeidung von Gefahren im Straßenverkehr zu treffen.
Dies kann vorzugsweise erfolgen durch:
) die Gegenwart einer Begleitperson, wobei die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Teilnahme am Straßenverkehr auf diese Person übergeht. Aber auch hier sollte nicht auf eine Kennzeichnung verzichtet werden.
) die Begleitung durch einen Blindenführhund im weißen Führgeschirr,
c.) das Tragen von gelben Armbinden mit 3 schwarzen Punkten an beiden Armen,
d.) die Nutzung eines weißen Blindenlangstockes.
Es ist zu bedenken, dass derartige Vorkehrungen nicht nur zur Vermeidung von Unfällen beitragen kann, sondern dass die Betroffenen ein erhebliches Mitverschulden treffen kann.
Mit Hilfe einer entsprechenden Kennzeichnung können Verweigerungen von Schadensersatzansprüchen, entstanden in Folge eines Unfalls, häufig vermieden werden.
Viele blinde Menschen berichten, dass eine deutlich wahrnehmbare Kennzeichnung bei den Mitmenschen wesentlich mehr Rücksichtnahme auslöst und ihnen in vielen Situationen unerwartet Hilfe angeboten wird.
Verhaltensweisen der Radfahrer und Fußgänger
Bewegungs- und Fahrverhalten
Das Bewegungsverhalten von Fußgängern ist geprägt von einem großen unsteten Spurverlauf. Dieser steht in Verbindung mit einem häufigen Geschwindigkeits- und Richtungswechsel. Besonders bei Kleinkindern ist mit spontanen Bewegungsabläufen zu rechnen. Von Bewegungseinschränkungen ist bei Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen in ihrer Mobilität und älteren Menschen auszugehen.
Die Fahrstabilität und der Fahrstil von Radfahrern wird beeinflusst vom Alter und der Fahrpraxis. Besonders labile Situationen entstehen beim Anfahren und Abbremsen, beim Auf- und Absteigen sowie bei bestehendem Seiten- und Gegenwind. In Kurven kann sich eine Schräg-lage ergeben. Ausweichmanöver vor glatten und unebenen Flächen können zur plötzlichen Änderung des Fahrverhaltens der Räder führen.
In der Folge des größeren Gewichts und einer höheren Geschwindigkeit von E-Rädern verstärken sich die Herausforderungen über die Beherrschbarkeit dieser E-Räder deutlich. Insbesondere für ältere E-Radnutzer, welche das E-Rad aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigungen als Transport- und Mobilitätshilfe (beispielsweise für den Einkauf) verwenden, entsteht ein erhöhtes Unfallrisiko.
Auch wenn Sie schon gut über die Nutzung von Fahrrädern als Mobilitätshilfen informiert sind, sollten Sie als Ergänzung auf unsere handfesten Tipps nicht dennoch nicht verzichten. Diese finden Sie auf den Seiten:
Die Wartebereitschaft der Radfahrer beim Überholen der Fußgänger ist im Allgemeinen als gering einzuschätzen.Oftmals verbleibt den Fußgängern nicht genügend Zeit für ein Ausweichmanöver. Bei beengten Raumverhältnissen wird häufig durch eine unangemessene Geschwindigkeit und Abstandseinhaltung auf eine riskante Weise überholt. Rücksichtsvolles Heranfahren und Vorbeifahrt nach kurzem Klingeln ist leider noch zu wenig verbreitet.
Grünpfeilregelung
Mit der Einführung der „Grünpfeil-Regelung“ wurde die Unfallgefahr durch den rechts abbiegenden Kraftverkehr an lichtsignalgesteuerten Kreuzungen erhöht. Während Fußgänger und Radfahrer die Fahrbahn queren dürfen, ist es Kraftfahrern gestattet, deren Wege (nach einem kurzen Halt) zu kreuzen.
So sind, trotz des vorgeschriebenen kurzen Halts, häufig ältere und mobilitätseingeschränkte Fußgänger sowie Kinder in Abbiegeunfälle verwickelt.
Der zusätzlich querende Verkehr erfordert eine erhöhte Konzentration und zugleich die richtige Einschätzung der Verkehrssituation, was von ihnen nicht erwartet werden kann.
Bei blinden und sehbehinderten Fußgängern kann diese ebenfalls, durch ihre eingeschränkte oder fehlende visuelle Kontrolle, nicht in ausreichendem Umfang erfolgen.
Der Idee folgend, mit Hilfe des „Grünpfeils“ einen flüssigeren Verkehr zu erreichen und die Wartezeiten an Kreuzungen zu verkürzen, wurde nun, unbeachtet der hier geschilderten Probleme, ein „Grünpfeil“ speziell für Radfahrer eingeführt. Die daraus zusätzlich resultierende Verschärfung der Problemlage für alle Fußgänger liegt auf der Hand.
💡 Fußgänger und Radfahrer bevorzugen direkte Wege. Dabei werden von ihnen erhöhte Gefährdungen und Regelverstöße in Kauf genommen. Für Abkürzungen benutzen Radfahrer daher oftmals auch Gehwegflächen.
Zur Vermeidung von Umwegen nutzen Radfahrer in zunehmendem Maß die für Rollstuhl- und Rollatornutzer vorgesehenen, auf das Fahrbahnniveau abgesenkten, Überquerungsbereiche an getrennten Überquerungsstellen mit differenzierter Bordhöhe. Nicht selten werden Rollstuhl- und Rollatornutzer in diesen Bereichen von Radfahren bedrängt. Dieses rücksichtslose Verhalten führt zu einer Gefährdung und Verunsicherung der schwächeren Verkehrsteilnehmer.
Aufmerksamkeit
Die Aufmerksamkeit und Konzentration der Fußgänger auf das Verkehrsgeschehen auf dem Gehweg sind äußerst gering. Befinden sie sich in der Gruppe, so ist dies verstärkt zu beobachten. Vielschichtige Gründe können hier zu einer Ablenkung führen. Von einer Einschränkung der Aufmerksamkeit ist insbesondere bei Kindern, in Folge ihres großen Bewegungsdrangs und Spontanität, auszugehen. Zu den gefährdeten Bereichen sind Kindergärten, Schulen und Haltestellen zu zählen.
Dabei bewegen sich Fußgänger gelegentlich auch regelwidrig auf dem Radweg. Insbesondere an Ampeln und ÖPNV-Haltestellen wird oft auf dem Hochbordradweg statt an der Gehwegkante gewartet oder der Radweg gequert, ohne den Radverkehr zu beachten.
Von blinden und sehbehinderten Fußgängern fordert die selbständige Fortbewegung ein hohes Maß an Konzentration. Bei großen Geräuschpegeln sind die Aufnahme und eindeutige Zuordnung von akustischen Informationen sehr schwierig.
Das spielerische und aufenthaltsbezogene Radfahren auf Fußwegen führt zu einer verminderten Aufmerksamkeit und mangelhaften Konzentration auf die Verkehrsabläufe. Die Beherrschung ihres Fahrrades führt bei älteren Menschen und Kindern zu einer starken Beanspruchung, wodurch die Aufmerksamkeit beeinträchtigt wird. Bei Kindern ist darüber hinaus mit einer verstärkten Ablenkung zu rechnen.
Gesundheit der Verkehrsteilnehmer
Allein schon die Einnahme von Medikamenten kann die Reaktionsfähigkeit und Konzentration deutlich herabsetzen.
Der Grad einer körperlichen Beeinträchtigung, wie z. B. der Ausfall des Seh- und Hörvermögens, wirken sich komplex auf die Handlungen der Betroffenen aus. Insbesondere bei Senioren muss mit Beeinträchtigungen der Sinneswahrnehmung gerechnet werden. Häufig sind diese Beeinträchtigungen auf den ersten Blick nicht sichtbar, sodass sich der Radfahrer nicht rechtzeitig auf die sich ergebende Situation einstellen kann.
Fehlende Kenntnisse und das Nichtbedenken möglicherweise vorhandener gesundheitlicher Beeinträchtigungen auf Seiten des Fußgängers, führen bei den Radfahrern zu irrtümlichen Vorstellungen über deren Verhalten.
So kann beispielsweise eine Fehleinschätzung des Radfahrers dazu führen, dass der Langstock eines blinden Menschen unbeabsichtigt in die Speichen seines Rades gerät. Um dieses zu vermeiden, sollte beim Überholen eines blinden Verkehrsteilnehmers möglichst ein Sicherheitsabstand von 1,5 m eingehalten werden. Dieser Abstand ist jedoch auch bei Kindern, Senioren und anderen Fußgängern mit augenscheinlich vorliegenden Beeinträchtigungen sehr empfehlenswert.
Dem Verhalten und den Fähigkeiten von Radfahrern sowie Fußgängern kommt bei der Verkehrssicherheit im Geh- und Radwegbereich eine Schlüsselposition zu. Alle weiteren Aspekte wie z. B. die städtebauliche Gestaltung und die Gesetzgebung stehen mit ihnen in unmittelbarer Verbindung. Diese können einen spürbaren Einfluss auf die Verhaltensweisen der Verkehrsteilnehmer ausüben. Somit kann die Verkehrssicherheit gefördert oder ihr entgegengewirkt werden.
Darf ich mit einer Sehbeeinträchtigung Radfahren?
Dies ist eine wichtige Frage, welche sich viele ältere Menschen stellen dürften, um sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Sie stellt sich jedoch nicht für das Radfahren eines sehbehinderten Mitfahrers auf dem Tandem.
Es sollte zunächst an dieser Stelle noch einmal daran erinnert werden, dass das Fahrrad ein zweirädriges Fahrzeug ist, was allerdings ohne einen Führerschein genutzt werden kann. Jedoch ist zum Erwerb eines gebräuchlichen Pkw-Führerscheins eine Sehschärfe von 70 % (Visus = 0,7) erforderlich. Liegt die Sehschärfe darunter, bedarf es einer gründlichen augenärztlichen Untersuchung. Für den Erwerb eines Führerscheins muss diese ergeben, dass auf dem besseren Auge eine Sehschärfe von mindestens 50 % (Visus = 0,5) vorhanden ist.
Reicht also das Sehvermögen nicht mehr zum Erwerb eines Führerscheins aus, befindet man sich beim Fahrradfahren in einer Grauzone. Die Ursache für diese Situation bildet der Umstand, dass es keine gesetzlichen Regelungen darüber gibt, mit welchem Sehvermögen man noch mit dem Rad fahren darf.
Untersuchungen ergaben, dass bei einem Sehvermögen unter 20 % (Visus = 0,2) das Unfallrisiko deutlich zunimmt und ab einem Sehvermögen von unter 10 % (Visus = 0,1) ein sicheres Fahrradfahren nicht mehr gegeben ist.
💡 Ein Radfahrer mit einer Sehbeeinträchtigung sollte sich des bestehenden Risikos stets bewusst sein. Letztlich ist es immer eine abzuwägende Einzelfallentscheidung, in welche auch weitere Beeinträchtigungen, wie beispielsweise eine Schwerhörigkeit, einzubeziehen sind. Jeder Mensch ist hier immer gut beraten, wenn er sich mit seinem Augenarzt berät und dessen Empfehlungen ernst nimmt.
Achtung:
Bedacht werden sollte unbedingt, dass ein sehbehinderter Fahrradfahrer als Fahrzeugführer am Straßenverkehr teilnimmt. Im Falle eines Unfalls wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Schuldfrage zu seinem Lasten entschieden. In der Folge seines Handelns können auch nicht strafrechtliche Konsequenzen nach § 315c des Strafgesetzbuches (StGB) gänzlich ausgeschlossen werden.
Zur Nutzung eines Elektrorollstuhls im öffentlichen Verkehrsraum ist eine Sehschärfe, die unter 10 % (Visus = 0,1) liegt generell nicht ausreichend. Liegt das Sehvermögen darüber, bedarf es einer abzuwägenden Einzelfallentscheidung. Diesen Standpunkt vertritt die Verkehrskommission der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft.
Fähigkeiten und Verhalten
Fußgänger konzentrieren sich in erster Linie auf ihre unmittelbare Umgebung. Dies gilt besonders dann, wenn eine Behinderung oder altersbedingte Beeinträchtigungen vorliegen. Auch ist davon auszugehen, dass die Wahrnehmungsfähigkeit für Bewegungsabläufe, Geschwindigkeiten und Abstandseinschätzungen bei Kindern, älteren Menschen sowie blinden und sehbehinderten Verkehrsteilnehmer nur begrenzt möglich sind. Darüber hinaus ist oftmals bei diesen Personengruppen eine Beeinträchtigung der Bewegungsgewandtheit und Reaktionsfähigkeit zu beobachten.
Auch Radfahrer bilden keine homogene Gruppe. Die Beherrschung des Fahrrades sowie die gefahrene Geschwindigkeit variiert zwischen Schulkindern, Jugendlichen, Alltagsradfahrern und älteren Menschen erheblich.
Weiterhin sind bei allen Verkehrsteilnehmergruppen große Unterschiede bei der gegenseitigen Rücksichtnahme festzustellen. Die Auswirkungen der Rücksichtslosigkeit der sogenannten „schwarzen Schafe“ treffen aber in erster Linie die schwächeren Verkehrsteilnehmer.
Körpersprache und Blickkontakt
Für die Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern stehen für blinde und sehbehinderte Menschen, aber auch teilweise für Menschen mit Autismus, die Körpersprache und der Blickkontakt nicht zur Verfügung. Der häufige Verweis zur Nutzung dieser Kommunikationsformen im Straßenverkehr zeigt, dass dies noch immer nicht im Bewusstsein der verantwortlichen Verkehrsplaner präsent ist.
Viele unterschiedliche Faktoren, wie z. Bsp.:
) völliger oder teilweiser Funktionsausfall einzelner Augenbereiche (wie z. B. Netzhaut, Linse etc.),
) aktuelle seelische und körperliche Verfassung,
) Blendungen,
) Dunkelheit,
können das Restsehvermögen bei sehbehinderten Menschen zusätzlich negativ beeinflussen. Im Laufe eines Tages sind Schwankungen beim Sehen nicht auszuschließen.
💡 Für andere Verkehrsteilnehmer ist es nicht möglich, das aktuelle Sehvermögen und die daraus resultierenden Probleme blinder und sehbehinderter Verkehrsteilnehmer richtig einzuordnen. Erschwerend kommt hinzu, dass eine selbständige Orientierung im Straßenverkehr für die Betroffenen immer wieder eine neue Herausforderung darstellt, die von ihnen ein hohes Maß an Konzentration fordert und die Aufmerksamkeit gegenüber anderen Menschen mindern kann.
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass es sehbehinderten Menschen kaum, und blinden Menschen nicht möglich ist:
) einen direkten Blickkontakt aufzunehmen,
) Gesichter und insbesondere Gesten anderer Verkehrsteilnehmer zu erkennen und entsprechend
) Handlungen vornehmen zu können.
Beim Autismus handelt es sich um eine tiefgreifende psychische Entwicklungsstörung. Ihr Erscheinungsbild ist geprägt von Selbstbezogenheit und Verhaltensauffälligkeit. Bei autistischen Menschen darf ein nicht stattfindender Blickkontakt nicht falsch gedeutet werden. Dieser kann nicht mit Ignoranz, Unaufmerksamkeit oder Schüchternheit gleichgestellt werden.
💡 Für einen Teil der Betroffenen fordert der Blickkontakt enorme Konzentration und Energie. Daher kann dieser nicht eingefordert werden und den Betroffenen ist mit Verständnis zu begegnen.
Zusammenfassung:
Es ist völlig unangemessen, wenn die zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Augen vor den tatsächlichen Ursachen für die Konflikte zwischen dem Rad- und Fußgängerverkehr verschließen und versuchen diese zu leugnen.
Auch ist es nicht nachvollziehbar und deplatziert, wenn alle politischen Ebenen sich lediglich nur auf die bestehenden Regelungen nach StVO berufen. Es ist an der Zeit, dass die Gründe, die die Sicherheit auf den Fußwegen verhindern, akzeptiert und Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit für den Rad- und Fußgängerverkehr ergriffen werden.
In erster Linie ist hier die politische Ebene gefordert. Sie muss durch ein konsequentes Handeln signalisieren, dass die Sicherheit für den Rad- und Fußgängerverkehr ernst genommen und auch tatsächlich gewollt ist. Die verkehrspolitischen Strategien dürfen nicht nur zu Gunsten des Kraftverkehrs ausgiebige Förderprogramme beinhalten.